Von Kannibalen und Revisionsverhandlungen

 

BVG

Als ich irgendwann im letzten Jahr von dem Fall des LKA-Beamten Detlev G. las, der einen Chat-Partner aus einem Kannibalen-Chat (www.zambianmeat.com) bei sich zu Hause im SM-Keller getötet und zerstückelt hat, um ihn danach auf seinem Grundstück zu vergraben (man hat bis auf den Penis und die Hoden wohl auch alle Teile gefunden), war mir sofort klar, dass ich darüber schreiben wollte. Ich begann zu recherchieren, selbstverständlich auch über den Fall des „Kannibalen von Rothenburg“, Armin Meiwes, über den die Kriminologin und Therapeutin Petra Klages sehr intensiv geforscht und in ihrem Buch „Serienmord und Kannibalismus in Deutschland“ geschrieben hat. Auch Meiwes selbst kommt in diesem Buch sehr ausführlich mit eigenen Geschichten zu Wort und gibt Einblicke in eine gestörte Seele.

Er taucht am Rande auch in meinem Thriller „Einverleibt“ auf, den ich unter dem Pseudonym Tom Teller als E-Book bei amazon veröffentlicht habe.

Der Prozess vor dem Landgericht Dresden endete am 1.4.15 mit dem Urteil: Achteinhalb Jahre für den Angeklagten Detlev G. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft gingen in Revision. Und diese Revisionsverhandlung fand nun heute, am 6.4.16, ein knappes Jahr später vor dem BGH in Leipzig statt. Für mich die erste Verhandlung, an der ich teilnahm.

Nach der Begrüßung durch den Richter hielt der Pflichtverteidiger Prof. Dr. Endrik Wilhelm aus Dresden über eine Stunde ein Plädoyer, warum seiner Meinung nach der Prozess nicht ordnungsgemäß geführt worden war. Unter anderem wegen eines sehr umstrittenen Sachverständigengutachtens bezüglich der Todesumstände des Opfers. Es ging hier um Knoten, Seillängen und diesbezügliche Berechnungen eines Ingenieurs vom TÜV, die jedoch von der Verteidigung angezweifelt wurden. Den mehrfach vorgebrachten Antrag auf Rekonstruktion bzw. Nachstellung der entscheidenden Szene zu Untermauerung oder Widerlegung der Berechnungen lehnte das Gericht jedoch immer wieder ab. Anscheinend wurde stattdessen an einer Türklinke des Gerichtssaals ein „Experiment“ durchgeführt.

Auch aus den Chatprotokollen zwischen Angeklagtem und späterem Opfer zitierte der Verteidiger, um den Todeswunsch des Opfers zu belegen. So wünschte sich das Opfer vom Angeklagten, vom ersten Moment des Treffens an als „Essen“ angesehen zu werden und erbat sich keine Verletzungen im Kopfbereich, solange er noch lebe, (außer natürlich Kopf abschneiden), keine Knochenbrüche, Gelenkverletzungen, Hodenquetschungen, solange er noch was spüre.

Detailliert ging der Verteidiger auf die Filmsequenzen ein, die einen Teil des Geschehens zeigten – jedoch leider nicht den Moment des Todes. Unter anderem sah man eine weiße Decke, auf der in einer silbernen Servierschale der Penis und die Hoden des Opfers präsentiert wurden. Ebenso die nach dem Zerteilen blutigen Hände des Angeklagten, die an seinem eigenen Geschlechtsteil manipulierten.

Für den Verteidiger war das Opfer kein Opfer, sondern Anstifter und Mittäter, da dieser mehrmals den zögernden Angeklagten zur Tat überredet haben soll. Es sei ein Mord ohne Opfer gewesen. (Vom Bahnhof der Kleinstadt hatte das spätere Opfer dem Angeklagten eine SMS geschickt mit dem Inhalt „Der Braten für heute Abend ist angekommen.“) In einer anderen SMS hatte er geschrieben „Ich will in deinen Magen.“

Nach dem Verteidiger sprach der Staatsanwalt, der sich kurz fasste und eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes forderte (in der Hauptverhandlung hatte die Staatsanwaltschaft dagegen merkwürdigerweise nur 10,5 Jahre gefordert). Danach gab noch der Vertreter der Nebenklage ein kurzes, schwer verständliches Statement ab, dann zog sich das Hohe Gericht zur Beratung zurück.

Vor der Urteilsverkündung unterhielt ich mich im Flur noch small-talk-mäßig mit dem Staatsanwalt und dem Mann einer Richterin, ich äußerte meine Vermutung, der Richter würde den Fall zurück überweisen und neu verhandeln lassen. So kam es dann auch. Der Richter nannte als Aufhebungsgrund einen Widerspruch und zwei Lücken in der Beweisführung. „Die Möglichkeit, dass sich das Opfer selbst getötet hat“, sei nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen worden.

Soviel nun zu diesem spannenden Prozesstag.

Wer meinen Thriller noch nicht kennt und nun Lust bekommen hat, einen Blick in die Abgründe von Menschen zu werfen, die sich als „longpig“ (Schlachtopfer) anbieten und solchen, die gern den Fleischer spielen und die besten Teile verspeisen wollen, wer also wirklich starke Nerven und einen Kindle hat, der kann ja mal hier klicken:

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.