Lyrik im Poesiealbum neu

Allen, die, wie ich, in der DDR aufgewachsen sind, wird das kleine Heftchen mit dem bezeichnenden Titel „Poesiealbum“ ein Begriff sein. Dort wurde Lyrik von bedeutenden Poeten des Landes veröffentlicht. Leider habe ich es damals nicht geschafft, dort Eingang zu finden. Umso mehr freut es mich, dass ein Gedicht von mir in der Nachfolgeedition „Poesiealbum neu“ einen Platz gefunden hat. Dieses Heft wird 2 x jährlich von der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik unter einem bestimmten Thema herausgegeben. An der Ausschreibung zum Frühjahrsheft, das unter dem Thema „Glück“ steht, habe ich mit 3 Gedichten teilgenommen. Unter 600 Einsendungen von 260 AutorInnen aus 6 Ländern mit über 600 Gedichten wurde mein Gedicht „Handicap“ zusammen mit Gedichten von 77 weiteren Autoren ausgewählt. Darunter so große Namen wie Johann Wolfgang Goethe oder Ernst Moritz Arndt. Ich möchte das zum Anlass nehmen, die drei Gedichte auf meiner Website vorzustellen:

 

Dornröschen

Jeder ist seines Glücks,

sagst du, also hebe endlich

deinen Hintern, den breiten,

hoch aus dem Sessel und geh

oder glaubst du, er kommt,

der Reiter auf dem Schimmel

oder im Ferrari, zu dir,

in dein Schloss, durchschlägt

die Dornenhecke mit seinem Schwert,

lang und dick, wie du es liebst,

um dich herauszuholen

aus deiner selbstverschuldeten

Unmündigkeit?

Was kann dir schon passieren

da draußen, außer dass du

wieder an den Falschen gerätst,

sagst du. Und wenn schon!

Besser ein Buckliger im Bett

als gar kein Sex.

Du, freilich, stehst nicht zur Verfügung.

Musst noch zum Schmied,

dein Schwert schärfen, das brauchst du

für andere Hecken,

jüngere jedenfalls.

 

Glück und Glas

Großmutters unerschöpflicher Sprichwortschatz

tropft Trost und Mahnung mir ins Gehör:

Kind, nimm nicht alles so tragisch,

du bist noch so jung. Irgendwann kommt

der Richtige. Oder auch nicht.

Es gibt Schlimmeres, glaub mir.

Nebenbei pult sie die Erbsen aus den Schoten,

hängt die Nudelstreifen zum Trocknen über

das Ofenrohr und rezitiert die Ballade

von Fontane: Lern entsagen,

und ungeahnt erblüht es dir.

Mir wäre es lieber, endlich würde

mein Busen erblühen. Denn dessen

Nichtvorhandensein, da bin ich mir sicher,

ist schuld an der beschämenden Zurückweisung

meines Liebeswerbens.

Und Oma ahnt es, glaube ich. Nur ihren Spruch

mit dem Bauern und den großen Kartoffeln

hab ich jetzt nicht verstanden.

 

Handicap

Ich kapier das nicht, seufzt Sonja

zwischen zwei Glückskeksen,

schon wieder so ein Griff ins Klo

mit dem Typen!

Dabei sah mein Horoskop so gut aus!

Und im Spiel hab ich auch kein Glück.

Wieder nicht meine Zahlen.

Was mach ich nur falsch?

Keine Ahnung, sage ich,

aber ich muss jetzt fahren.

Kannst du mir mal die Tür aufhalten?

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.